Die Großmütter auf dem Hemma-Wandelweg

03. August 2014


Wenn weise Weiber wandeln, wandelt sich die Welt

Großmütter auf dem Hemma-Wandelweg


Wandeln wir den Hemma-Weg,
Kommt Visionen erwacht!
Unsere Träume geboren aus eigener Kraft,
Wir wandeln die Welt gemach.

Mit diesem Lied schritten wir durch das Kirchentor und das gesamte Kirchenschiff des Gurker Doms in Kärnten, freudig begrüßt von Schwester Gerda als Hemma-Pilgerinnen. Vorausgegangen waren 11 Tage pilgern auf dem Hemma-PilgerInnenweg von Slowenien nach Gurk, vom 03.-15.6.14 JdF.

Was brachte uns 7 Frauen, die Großmütter Ursa, Uscha, Christa und Sirilya vom Rat der Großmütter, und drei befreundete Frauen, Hemma, Lisa und Claudia, auf diesen Weg? Großmutter Erika hatte uns von diesem Hemma-Weg erzählt, den sie selbst einmal auf der Suche nach einer weiblichen Entsprechung des Jakobsweges zwei Monate lang pilgerte. Der Hemma-Pilgerweg folgt dem Symbol der Lemniskate - das verlockte uns sehr – und verbindet Orte, die mit der Hl. Hemma zu tun hatten. Von Hemma hatten wir bislang noch nichts gehört. Hemma lebte 999 – 1045 in Kärnten. Nach dem Tod ihres Mannes und ihrer beiden Söhne war sie als Markgräfin von Friesach die reichste und mächtigste Frau weit und breit. Sie setzte ihren Reichtum für das Wohl des Volkes ein mit Stiftungen von Klöstern und Kirchen, die damals die Stätten für Bildung, Heilung, spirituelles Wachstum und soziale Betreuung waren.

Hemma wurden wundersame Kräfte zugeschrieben: Wunderheilungen, Friedenstiften, für Gerechtigkeit sorgen und Gebetserhörungen. Sie wurde schon zu Lebzeiten als Heilige verehrt. Seit 1607 wird von großen Wallfahrten zu ihrem Grab berichtet. Wir Großmütter-Pilgerinnen interessierten uns für ihren heidnischen, ungezähmten Anteil. Sie war wohl in der Tradition der Weisen Frauen Heilerin, mit Tieren, Pflanzen, den Elementarwesen und dem Wetter verbündet, und verfügte über die Sichtigkeit wie ihre mystischen Zeitgenossinnen Hildegard, Gertrud, Katharina und Mechtildis.

Für die Vorhut Uscha, Hemma, Claudia und Sirilya war der Hemma-Berg in Kärnten der erste Kontakt. Eine heilige Quelle unterhalb einer Grotte, ein Hügel mit 4 Kirchen aus verschiedenen Epochen, drei davon nur als ruinöser Grundriss erhalten, eine uralte Eiche, ließen uns ankommen. Hier wurde die Große Göttin seit Alters her in der Erhabenheit des Berges und im Quellwasser aus ihrem Schoß verehrt. Unseren Pilgerinnen-Weg begannen wir in Svet Ana auf der slowenischen Seite des Loiblpasses mit dem Segen der Großen Mutter Anna. Einsame Wege durch die Karawanken mit üppigsten Blumenwiesen der Frühsommerzeit, die wildromantische Tscheppaschlucht, die ehrwürdige Drau als Tor in den lieblichen Teil Kärntens mit den unzähligen Hügelketten, Seen und der großen Weite bezauberten uns. In Viktring/Klagenfurt vervollständigte sich unsere Gruppe. Wir stellten fest, dass wir alle Wurzeln in der alpenländischen Kultur hatten. Das Edelweiß wurde zum schmunzelnden Zeichen für diese unsere indigenen europäischen Wurzeln. Es begleitete uns als kreativ eingesetztes Hemma-Pilgerinnen-Tuch – und, ja, wir haben auch gejodelt.

         

Über Maria Saal, den Magdalensberg, St Georgen am Längsee und Gunzenberg führte unser Weg. Hemma begegnete uns als Klosterstifterin in kunstgeschichtlich bedeutsamen Kirchen oder in einfachen Weg-Bildstöcken. Im Dom zu Gurk liegt sie begraben. Ein Quellbrunnen neben der Kirche führt heilsames Wasser. Neben ihrem Grab in der Krypta gibt es einen uralten wundertätigen Naturstein, dem nachgesagt wird, dass er zahlreichen Frauen zu Kindersegen verholfen habe. Seine Kraft war für uns auch deutlich spürbar und hat uns sehr beindruckt (schwanger wurden wir nicht). Habt ihr schon einmal in einem Kreuzgewölbe mit 100 Säulen gesungen? Deine Stimme wandelt sich in Engelsgesang, zauberhaft, magisch, kraftvoll.

Und was bedeutete nun für uns das Pilgern? Unsere Schritte waren das menschliche Maß für unsere Tage. In der Entschleunigung und in der Stille holte sich die Seele zurück, was in der Hektik und im Lärm verloren gegangen war. Täglich begleitete jede von uns eines der Großmutter-Machtworte und trug dazu bei, dass unser Gehen, Pilgern zu einem Wandeln wurde. Im Einssein mit der Natur tagaus tagein wandelten sich unsere Perspektiven und wir selbst. Wo wir unsere Schritte in liebevoller Offenheit, in Verbundenheit zu allem, in Großmütter-Weisheit, Lebensfreude und viel Lachen setzten, wandelten wir ebenso die Welt um uns herum. Wie im Kleinen so im Großen. Die Naturgeister waren begeistert.“


So weit erzählt Großmutter Sirilya und Großmutter Uscha fährt fort:

Während wir sieben Frauen also Tag um Tag durch Frau Natur streiften, innehielten, Blumen berührten, Vogelstimmen zu verstehen glaubten, wurde uns statt des Wortes „Pilgern“ das Wort „Wandeln“ näher und lieber. Auch sagten wir uns, wir suchen nicht die Entbehrung, sondern die Erfüllung. Wie wir uns in der der Landschaft der Göttin bewegten, bewegte es uns gleichermaßen innerlich. Es tat gut mit jedem Schritt, den Segen von Mutter Erde aufzunehmen und ihren Herzschlag zu spüren. Das Gefühl von Ehrfurcht, Stärkung und Heilung nahm von Tag zu Tag zu. Die innige Verbindung zu den Elementen, die wir nicht rufen mussten, die ständig um uns waren, war unsere ganze Fräude. Wir konnten uns als Teil von diesem Wunder erfahren.

Erwähnenswert ist, dass uns über diesen Wandelweg auch eine große Erzählerin begegnete: Die Kärtnerin Dolores Visér, Anfang 1900 geboren, sie verfasste den Roman „Hemma von Gurk“. Dieses bedeutende Werk war mit ausschlaggebend, dass 1938 Hemma v. Gurk heiliggesprochen wurde und seit damals als Landesheilige von Kärnten gilt. Ein Auszug aus dem Roman (S.119, Ehrenwirth Verlag):

Hemma war es, als  m ü s s e  sie lernen, solange sie noch Zeit habe, obwohl sie sich heimlich schämte, besser als die meisten Männer zu lesen, zu schreiben und zu rechnen und mit so vielen Sprachen vertraut zu sein. Sie sprach außer ihrer Muttersprache Griechisch und Latein, Französisch und Romanisch und die slowenische Mundart, die Artre sie gelehrt hatte. Freilich war dies eine Sprache, die sich für eine edle Frau wohl kaum geziemte. Doch Hemma mochte sie gerne.....Sie hörte die Gespräche großer Ärzte, die Weisheitssprüche der Gelehrten, die so merkwürdige Dinge über alles Geschaffene zu sagen wussten, - von den Erzen der Erde bis zu den Sternen des Himmels, von der Erschaffung der Welt und ihrem nahen Untergange. Ohne Mühe gelang es Hemma, dies alles aufzufassen. Ihr Verstand, der bis jetzt von keinem rascheren Herzschlag verwirrt worden war, tummelte sich mit wahrer Lust in den unendlichen Gefilden menschlichen Wissens.“

Dieser Roman wurde uns von der mit uns wandelnden Hemma nahe gebracht. Hemma ist in der Region der Landesfürstin Hemma aufgewachsen, wurde nach ihr benannt und bekam diesen Roman in ihrer Jugend geschenkt.

Eine weitere geistige Entdeckung, die wir machen durften: Vieles, was über die HL. Hemma erzählt wird, finden wir auch in dem, was die alpenländische Göttin Noreia ausmacht, die Stammesgöttin der Noriker, eines keltischen Volksstammes, der das Gebiet des heutigen Österreichs und Teile Bayerns besiedelte.

In der Ausgabe 66-September des Schlangengesangs schreibt Claudia Jenik zu Noreia, die an etlichen Orten mit der orientalischen Isis verschmolzen ist:

Aus meiner persönlichen, neuheidnischen Sicht und Erfahrung ist Noreia eine sehr mächtige Göttin mit spirituellem Tiefgang. Sie hält das Schicksal in Händen, kann heilen und verfluchen, stützt und schützt einerseits und führt andererseits auf Ihrem Nachen mit Ihrem Ruder die Seelen in die Andere Welt. Sie strahlt wie die Sonne, ist Herrin des Landes und der Leute, ist königlich und spendet Reichtum und Fülle. Sie ist eine alte Göttin, vielleicht vorkeltisch. Ihre dröhnende Stimme erklingt aus ferner Vergangenheit und jagt mir einen Schauer über den Rücken. Aber letztlich ist sie gnadenvoll und hat auch Sinn für Humor.“

Das mit dem Humor können wir wandelnden wilden Frauen vom Rat der Großmütter bestätigen. Uns begegneten in der Tat mehr lustige Begebenheiten als ernste. Zum Beispiel an dem Tag, wo wir uns bei größter Hitze über heißes Pflaster den Berg hinauf zu unserem Ziel schleppten, wild entschlossen durchzuhalten. Da überholt uns plötzlich ein laut hupendes Auto. Unserer Großmutter Christa sitzt darin und streckt die Hände zum Frauenzeichen geformt aus dem Fenster. Sie hatte unten, unter dem einzigen Schattenspendenden Baum, zufälligerweise die Wirtin vom Berg nach dem Weg gefragt und diese hat sie sofort in Auto eingeladen, sich die ganze Fahrt bei dem Gedanken fräuend, welche Gesichter wohl die nicht aufgeben wollenden Ko-Wandlerinnen machen würden, wenn sie mit fröhlichem Gekreisch überholt werden.“


So weit der Bericht von Großmutter Uscha sie übergibt weiter an Großmutter Christa:

die wandelwege waren beeindruckend, aus sehr männerdominierten bezügen, wurde der weg immer weiblicher. äußerlich bei den unterkünften, in einer 3 frauengeführten unterkunft sangen wir uns dann gegenseitig unsere lieder vor...oder unser innerer prozeß, es eröffneten sich immer frauenspezifischere vorgehens- u. umgangsweisen miteinander. von den menschen kam viel wohlwollen, besinnung u. offenheit entgegen, es war deutlich, daß hemmas spuren u. unsere frauenkraft ihre wirkung zeigten. in gurk selbst, gab es ein museum mit diversen ausstellungen, z.b. hemmas u. andere machtvolle ritualkleider, eine zusammenstellung von kraftvollen frauen, selten hab ich es so vielfältig an einem ort erlebte,u.a. anna selbtritt, eine dreierdarstellung von mächtigen frauen, die weibl. attribute trugen...vagina,busen usw. der weg bot viele möglichkeiten...alte spiritualität zu leben: ein museum,in der hemma u. ausgrabungen uns von einer weisen hüterin detailiert nahegebracht wurde, ein kloster, das alte sagen darstellte, ein wunderbares labyrinth, sowie muttererde in einem wildniskräutergarten mit berührend texten. auf einem berg, ein riesiges haiderdenkmal, daneben u. älter ein scheinbar kleineres, unwichtigeres hemmadenkmal. mein ärger verflog schnell, als ich sah... bei hemma konnest du dich draufsetzen, einlassen, besinnen, über das weite weiblich geprägte land schauen u. mächtige, starke frauenkraft pulsierte durch dich. das wissen u. immer wieder zu erfahren u. zu erleben, daß unter allem partiarchalen, die lebensspendende frauenkraft fließt, sich zeigt u. zum leben kommt,wenn wir uns in offenheit verweben u. so frauenkraft,  auch immer wieder beleben u. weitertragen. in diesem sinne  möge es überall wirken.“ 


    

Frauen, die auf diesem Weg wandeln wollen, bieten wir an, eine Liste unserer Quartiere zur Verfügung zu stellen.